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Der Johannbau

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Der Johannbau wurde 1528 - 1533 auf Resten eines mittelalterlichen Vorgängerbaus als Westflügel des einstigen Residenzschlosses der Fürsten und Herzöge von Anhalt-Dessau errichtet. Der Bauherr war Fürst Johann IV. von Anhalt (1504 - 1551) mit seinen jüngeren Brüdern Georg III. und Joachim.

Lange Zeit galt Ludwig Binder (1512 - 1556), der, wohl aus Halle kommend, nachweislich als Steinmetz zwischen 1531 und 1554 für die Fürsten in Anhalt tätig war, als Baumeister des Johannbaus. Sein Steinmetzzeichen befand sich an sechs prominenten Stellen im und am Treppenturm dieses Baus; drei von ihnen sind noch heute zu entdecken. Heute wissen wir, dass Ludwig Binder zu Baubeginn erst 16 Jahre alt, also noch zu jung war, um alleiniger Baumeister zu sein.  Nach neuestem Forschungsstand wird daher angenommen, dass der Johannbau ein Gemeinschaftswerk von Bastian Binder und seinem Sohn(?) Ludwig war. Bastian Binder stand u.a. als erzbischöflicher Bau- und Werksmeister in Diensten des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Belegen zufolge hat auch er sich 1531/32 mehrfach in Dessau aufgehalten. Allerdings fehlt sein Steinmetzzeichen am Johannbau.

1998 wurde bei Restaurierungsarbeiten im Sockelbau des Treppenturms das um 1530 zu datierende Sandsteinrelief eines Männerkopfes aufgefunden, das links und rechts mit den Initialen B (?) und B bezeichnet ist. Möglicherweise haben wir es hier erstmals mit einem Konterfei des Baumeisters Bastian Binder zu tun.

Über die ursprüngliche Raumaufteilung und Nutzung des Johannbaus ist nur wenig bekannt. Der Gewölbekeller des Johannbaus dürfte zur Vorratshaltung für Wein und Bier genutzt worden sein. Das Erdgeschoss war auf Plänen des 16. Jahrhunderts in vier Räume geteilt: Im Süden lag die "Gesinde Hoffstube" nebst "Secret" (Abtritt), anschließend die "Speiss Cammer", in der Etagenmitte ein als "Reyterey" oder "Reutterei" bezeichneter Saal und am Nordende die ebenfalls die Länge eines Saals einnehmende "Harnisch Cammer". Im 1. Obergeschoss, dem eigentlichen Hauptgeschoss des Johannbaus, befand sich ein als "Ritter Gemach" bezeichneter Saal, dem im Süden ggf. noch einige "Gemächer" angeschlossen waren. Das Ritter-Gemach muss repräsentativen Zwecken gedient haben, da es mit Prunkportalen im Stil der Frührenaissance ausgestattet worden war; möglicher Weise sind hier auch die fürstlichen Gerichtstage abgehalten worden. Vom 1. Giebelgeschoss wissen wir nur, dass an seinem Südende "die acht Fenster Stube" lag. Eine Stube war zu dieser Zeit ein beheizbarer Wohnraum, dem eine nicht-beheizbare (Schlaf-)Kammer angeschlossen war. Auf dieser Etage sind weitere solcher Appartements zu vermuten, denn auch im darüber liegenden 2. Giebelgeschoss hat es noch eine "Stube" und eine "Cammer" gegeben.

Der Johannbau war zu seiner Zeit einer der ersten und bedeutenden Schlossbauten der deutschen Frührenaissance. Zu seinen charakteristischen Merkmalen gehörten zum einen die rundbogigen Zwerchgiebel. Solche Rundbogengiebel, auch "Welsche Giebel" genannt, gehören zu den "Markenzeichen" der Frührenaissance; im mitteldeutschen Raum traten sie an Schlossbauten erstmals 1524 am Schloss Hinterglauchau auf. Die Giebel am Johannbau sind durch Gesimse und Pilaster gegliedert. Fenster belichteten ursprünglich zwei Dachgeschosse. Viertelkreisbögen schließen die einspringenden Ecken. Den oberen Giebelabschluss bilden jeweils Dreiviertelkreisbögen, in denen kleine runde Einlassungen aus Sandstein sitzen. Die Sandsteinbögen der Giebel werden von Lilienmaßwerkfriesen begleitet, die auch an der Dessauer Marienkirche zu finden sind. Den Giebelbögen sind Kugeln aufgesetzt, die ursprünglich vergoldet waren. Die Rundbogengiebel werden Ludwig Binder zugeschrieben. Ihre Kugeln, Pilaster, Gesimse und Putzlilienfriese gelten als typische Merkmale für Binders Arbeit.

Eine Besonderheit sind die seriell vorgefertigten Versatzstücke aus Terrakotta, mit denen die Pilaster der Zwerchgiebel gefüllt sind. Die schmalen Flachreliefs zeigen jeweils über einer Blattrosette eine Balustersäule, darüber ein delphinartiges Gebilde und verschiedene vegetabile Ornamente. Geflügelte Putti in unterschiedlichen Posen zieren die Pilastersockel. Serienmäßig in Modeln gegossenen Schmuckelemente aus Terrakotta fanden an Schlossbauten im mitteldeutschen Raum ab etwa 1528 Verbreitung. Auch der ab 1533 errichtete Flügel C des Torgauer Schlosses besitzt Terrakotta-Pilaster.

Seine architekturgeschichtliche Bedeutung erhielt der Johannbau jedoch vor allem wegen seines Treppenturms, bei dem der Wendelstein über einem kubischen, eine Terrasse ausbildenden Sockelbau (Altan) aufragt. Zwar konnte seine äußere Gestalt jetzt noch nicht wieder rekonstruiert werden. Ursprünglich aber flankierten ihn zwei Freitreppen. Ihre Sandsteingeländer waren mit anhaltischen Wappen geschmückt. Die Treppen führten hinauf zur Altanterrasse mit umlaufender Brüstung. Diese war mit der Bauherreninschrift von 1533, den Wappen Anhalts und Münsterbergs und Ornamentfeldern verziert. Die Eckpilaster der Treppengeländer und Altanbrüstung waren durch Wappen haltende Bärenfiguren betont. An den Ecken des Altan-Gesimses ragten zwei Wasserspeier hervor.

Diese Konstruktion und Gestaltung eines den Saalbau erschließenden Treppenturms war in der deutschen Schlossbaukunst bis dahin ohne Vorbild und stellte 1533 eine Innovation auf dem Feld des deutschen Schlossbaus dar. Zur erneuten Anwendung kam sie wenig später beim Großen Wendelstein (1533-36) des Torgauer Schlosses. Auch wenn sich der Treppenturm des Johannbaus baukünstlerisch nicht mit der kühnen Architektur des offenen Wendelsteins in Torgau messen kann, weist der Unterbau des Torgauer Treppenturms doch alle Merkmale des Dessauer Vorbilds auf. Die Bedeutung, die der Johannbau mit seinem Treppenturm in der deutschen Architektur-geschichte bis 1945 eingenommen hat, ist heute allerdings ohne die abschließende Rekonstruktion der fehlenden Teile am Dessauer Altan kaum noch nachvollziehbar.

Die Restaurierung im Inneren des Sockelbaus ist dagegen, mit Ausnahme des wieder freigelegten Kamins, bereits abgeschlossen: Hier ist vor allem auf das Sterngewölbe mit vier Wappen geschmückten Schlusssteinen hinzuweisen, von denen zwei das Steinmetzzeichen Ludwig Binders zeigen. Die Treppe führt hinab in den Gewölbekeller. Auch das Innere des Wendelsteins wurde sorgfältig restauriert. Die nun schon über 475 Jahre alte Wendeltreppe windet sich in drei vollen Umdrehungen bis zum Dachgeschoss empor. Sie erschließt so alle Etagen oberhalb des Erdgeschosses. Große Anmut zeigt die spiralförmig profilierte Treppenspindel, deren Anfänger und Schluss mit den unterschiedlichsten Frührenaissance-Motiven reich geschmückt sind. Auch an der Treppenspindel ist eine Signatur Ludwig Binders zu entdecken.

Nach der Fertigstellung des Johannbaus wurden bis 1583 auch die übrigen Bauten des spätestens ab 1341 nachweisbaren Fürstensitzes zu einem repräsentativen Renaissanceschloss um- und ausgebaut. Die Vier-Flügel-Anlage, in der Südost- Ecke der ummauerten Stadt gelegen, wurde 1708 durch Abbruch des Nordflügels zur Stadt hin geöffnet. Der 1748 begonnene Um- und Neubau des nun dreiflügeligen Schlosses zur barocken Anlage nach Plänen G.W. v. Knobelsdorffs (1699-1753) blieb unvollendet, da sowohl der Bauherr, Fürst Leopold II. Maximilian von Anhalt-Dessau (reg. 1747-1751), als auch der Baumeister kurz hintereinander starben. Deshalb blieb der für den Abriss vorgesehene Johannbau erhalten. Er war jedoch in die Jahre gekommen. Fürst Franz von Anhalt-Dessau (reg. 1758-1817) ließ 1812-16 den inzwischen nicht mehr genutzten Johannbau grundlegend instand setzen; dabei wurden die charakteristischen Rundbogengiebel abgenommen und der Dachbereich umgebaut. In dieser verunstalteten Form zeigt sich der Johannbau noch auf alten Fotos und Postkarten. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde der Frührenaissance-Bau von der Forschung als wichtiger Baustein der deutschen Architekturgeschichte wiederentdeckt.  

Dem verheerenden 19. Luftangriff auf Dessau am 7. März 1945, der innerhalb von 45 Minuten die in Jahrhunderten gewachsene Innenstadt zu über 80% zerstört hat, sind auch der Süd- und Ostflügel des Residenzschlosses und der angrenzende Lustgarten zum Opfer gefallen. Nur der Johannbau blieb als schwer beschädigte Ruine erhalten.

Er wurde ab 1990 mit Mitteln der Stadt Dessau, des Bundes, des Landes Sachsen-Anhalt und der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt unter weitestgehender Erhaltung der originalen Bausubstanz in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt. Dabei erhielt der Johannbau sowohl seine Rundbogengiebel als auch die bauzeitliche Form der Turmhaube wieder zurück. Bei der Abnahme des Altputzes am Saalbau kamen Reste des 1528/33 mitverbauten mittelalterlichen Vorgängerbaus zum Vorschein. Sie führten zu neuen Erkenntnissen der Baugeschichte dieses Schlossflügels.

Die Innenräume des Saalbaus sind im Krieg unrettbar verloren gegangen. Nur die Kellergewölbe haben den Krieg in bauzeitlichem Zustand unversehrt überdauert. Auch das Innere des Treppenturms war, trotz der starken Brandspuren von 1945, in seiner Originalsubstanz weitgehend erhalten. Hier folgten nach gründlichen Bestandsuntersuchungen sorgfältige Restaurierungsarbeiten; lediglich die äußere Gestalt des Sockelbaus bedarf noch der Rekonstruktion. Im Saalbau mussten dagegen neue Decken eingezogen werden. Der zur Museumsnutzung bestimmte Schlossflügel erhielt neue Raumstrukturen und eine zeitgemäße Ausstattung. Seit August 2005 ,residiert' hier das Museum für Stadtgeschichte Dessau mit seinen Ausstellungen.    

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