Man könnte meinen, es sei die "kleine Schwester", so wirkt das pavillonartige Gebäude neben dem hochberühmten Bauhaus, und ist heute der Intention des Architekten Hermann Rey nah wie einst. Sicher und sensibel verwandte der im Jahre 1961 für die Planung einer Kaufhalle nebst Tanzcafé zentrale Elemente der Bauhausarchitektur und schuf ein – auch von Walter Gropius wertgeschätztes – Stück "Ostmoderne". Der Blüte folgten An- und Umbauten, ein Vorbau in den Straßenraum hinein und, mit der Schließung 2003, plakatverklebte Scheiben.
Die Fusion der Bibliotheken der Hochschule Anhalt und die der Stiftung Bauhaus Dessau an diesem Ort folgte einer alten Idee, die, wie die Jury betonte, "den Willen beider Institutionen symbolisierte, ihre räumliche und inhaltliche Nähe intensiver für befruchtende Synergien zu nutzen". 2008, nach einem Auswahlverfahren, wurde Reiner Becker, Berlin, mit dem Umbau beauftragt. Er ließ sich vom Zeitgeist des Ursprungsgebäudes inspirieren und den störenden Vorbau entfernen – mit verblüffendem Effekt: In der ruhigen Abfolge beider Häuser stellt sich nunmehr Ensemblecharakter ein.
An der sensiblen Stelle zwischen rückwärtig behaltenem "Flachbau" und der Kaufhalle wagte Becker jedoch etwas Neues, die Anfügung der weißen "Bücherbox", quasi ein Scharnier, die als solches auf der Gebäuderecke zum "Bauhaus" eine runde Form bekam. Bewusst reduziert, ganz und gar ohne Konkurrenzallüren, sanft geschwungen und im oberen Abschluss aus opak, leicht grünlichem Glas verheißt sie Spannung auf das eigentliche: den Bücherschatz.
Mühelos hat sich mit dem Umbau im Innern der alten Kauf- und Tanzhalle Bibliotheksatmosphäre eingestellt, Zeitschichten sind lesbar geblieben und schaffen gemeinsam mit den in minimalistischer Bauhaustradition gestalteten Arbeitsplätzen ein "beinahe kontemplatives Raumerlebnis".
Die Jury attestiert: "Insbesondere am Abend, wenn die großzügigen Schaufenster dezente Farbakzente im Innern nach außen tragen, das Lichtband des Anbaus geheimnisvoll strahlt und vielleicht besser als am Tage die Verbindung zum berühmten Nachbarn ‚Bauhaus’ herstellt, wird deutlich, welchen Gewinn an Lebendigkeit die Bibliotheken am Bauhaus dem wertvollen Ensemble hinzufügen."