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Architekturpreis der Bauhausstadt Dessau 2013 - Preisträger

Alte Bäckerei

ding.fest dessau, werkstatt für architektur_energieberatung,
Kantstraße 7, 06844 Dessau-Roßlau

Die Alte Bäckerei in der Johannisstraße 17 ist eines der letzten Fachwerkhäuser der ehemaligen Dessauer Neustadt. Noch bis weit in die 1970er Jahre zog hier ein Bäcker sein Backwerk aus dem alten Dampfbackofen. Danach war es Wohnhaus und Lager, seit über zwanzig Jahren stand es schließlich leer. Desolat und zusehends im Verfall begriffen war mit seiner Zukunft ebenso der denkmalpflegerisch einzigartige Ensemblecharakter eng aneinandergereihter und historisch wertvoller Fachwerkbauten vakant, darunter das des Astronomen und Botanikers Samuel Heinrich Schwabe oder des Bildhauers Friedemann Hunold. In einem beispielhaften Akt bürgerschaftlichem Engagements hat der Dessauer Schwabehaus-Verein das städtebaulich wichtige Gebäude "Alte Bäckerei" gerettet, denkmalgerecht rekonstruiert und saniert, sensibel erneuert und umgebaut. "Vorbildhaft", so resümiert die Jury, sei das Modell dieser Bauherrenschaft eines Vereins, "in dem mehrere Dutzend Bürger zusammenwirken und sich ohne private Gewinninteressen für die Dessauer Stadtentwicklung erfolgreich engagieren." Ein Projekt von Bürgern für Bürger, das der Stadt Dessau ein Stück Identität erhalten hat.

Das Vorderhaus des zweigeschossigen Gebäudes wurde ursprünglich Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut, vermutlich um 1870 fügte man die beiden rückwärtigen Seitenflügel an. Im Erdgeschoss des nördlichen Flügels fand sich noch die fast komplette Backstube mit Ofen. Sein blaugerahmter Fliesenspiegel mit den Ofenklappen und Riegeln ist heute überraschender Blickfang und zugleich die Attraktion des Baus, dem sich der Schwabehaus-Verein als direkter Nachbar annahm, in Erbpacht übernahm, kaufte und damit die Fortführung ihres bereits mit der Rettung des Schwabehauses unter Beweis gestellten Engagements für den Erhalt historisch wertvoller Bausubstanz in Dessau beschloss. In ungezählten Stunden brachten sich Vereinsmitglieder und engagierte Bürger gemeinsam mit dem Architekturbüro ding.fest dessau, werkstatt für architektur_energieberatung während des Erwerbs, der Entrümpelung, der Planung und des Wiederaufbaus bis schließlich zur Fertigstellung des Ladengeschäfts im Dezember 2012 ein. Sukzessive, mit der schrittweisen Bewilligung von Fördergeld, durch Eigenleistung und Kreditaufnahme, wandelte sich dabei die Adresse "Johannisstraße 17" zu einem Kleinod im Quartier und komplettiert aufs Neue die alte Häuserzeile: Hellweiße Holzbalken rahmen hellgraue Ausfachungen, ein typisch rotes Ziegeldach trägt zwei Gauben, straßenseitig öffnet sich der Laden mit Schaufenster.
Gleichmaßen kehrte der Charme früherer Zeit im guten Gleichklang moderner Um- und Einbauten ins Innere des Hauses zurück. Weitgehend blieb dabei die historische Bau- und Raumstruktur erhalten. Vier flexibel teilbare "Nutzungseinheiten" bieten heute guten Platz für Vereins- und Gewerberäume, gegenwärtig für ein Büro, das Ladengeschäft, ein Studio und einen Kursraum. Sie sind lebendiger Anlaufpunkt für vielfältiges Publikum, für das die Alte Bäckerei mit dem Erhalt von prägenden Fragmenten in Erinnerung bleiben durfte.

Die Architekturpreis-Jury attestiert: "Neue Bauteile sind gestalterisch abgesetzt, so dass Zeitschichten ablesbar bleiben. Einzelne archäologische Fenster machen die Geschichte des Hauses erlebbar. Alt und Neu finden zu einer ausgewogenen Einheit zusammen, wobei die historischen Veränderungen nachvollziehbar bleiben." So ist der für dieses Dessauer Quartier typische Laubengang auf der Hofseite angefügt, eine außenliegende Treppe aus den 1930er-Jahren wurde entfernt, dafür die interne Haustreppe wiederhergestellt, nicht zuletzt die beiden hofseitigen Flügel in Ersatz der alten in Holzrahmenbauweise modern angebaut. Dass sich in einem Fachwerkhaus auch denkmalverträgliche energetische Maßnahmen verwirklichen lassen, stellt die Alte Bäckerei maßgeblich unter Beweis. So wurde u. a. das Haus von innen gedämmt, damit sich sein historisches Fassadenbild erhalten konnte, teilweise hat man Fenster mit Dreifachverglasung einbauen können.
Im 15. Jahr seines Bestehens liegt damit das zweite erfolgreich abgeschlossene Rettungsprojekt hinter den gegenwärtig 60 Mitgliedern des Schwabehaus-Vereins. Und machen anderen Mut auf mehr. Die Jury anerkennt in ihrer Entscheidung: "Dem rundum gelungenen Projekt, das auf erfrischende Weise zeigt, was Bauhausstadt heute auch heißen kann, wünscht man viele Nachahmer."